"Kunst Öffentlichkeit Zürich" ist ein interdisziplinäres,
institutionsübergreifendes und praxisorientiertes Forschungsprojekt,
das sich der Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Zürich widmet. Zürich
hat kein Konzept für Kunst im öffentlichen Raum. Auch haben sich die
Auffassungen bezüglich Kunst und Öffentlichkeit in den letzten 25
Jahren stark entwickelt. Das Projekt will die Gesamtsituation
analysieren, neu ausrichten, in einen aktuellen Kontext stellen und zu
lokaler und internationaler Ausstrahlung bringen. "Kunst Öffentlichkeit
Zürich" steht unter der Leitung der Hochschule für Gestaltung und Kunst
Zürich (HGKZ).
Das Ziel des Forschungsprojektes ist es, rund 10 künstlerische
Pilotprojekte zu entwickeln und zu realisieren sowie eine innovative
Strategie (ein Leitbild) für Kunst im öffentlichen Raum der Stadt
Zürich zu erarbeiten. Gemeinsam mit den begleitenden
Öffentlichkeitsarbeiten und Marketingmassnahmen soll damit die Basis
für eine langfristige und nachhaltige Entwicklung von öffentlicher
Kunst in Zürich gelegt werden.
Das Projekt vereint Kompetenzen aus Wissenschaft, Kunst,
Stadtmanagement und Privatwirtschaft. "Kunst Öffentlichkeit Zürich" ist
ein Verbundprojekt der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich
(HGKZ) in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule
Zürich (ETHZ). Der Forschungsgruppe gehören ebenso rund 8
Künstler/innen aus dem In- und Ausland an. Projektpartnerinnen sind die
Stadt Zürich sowie die Walter A. Bechtler Stiftung, Küsnacht, die Georg
und Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung, Zürich, und die Swiss Re
(Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft), Zürich. Das
Forschungsprojekt wird massgeblich von der Kommission für Technologie
und Innovation (KTI) des Bundes unterstützt. Weitere Unterstützung
erfährt das Projekt von Homburger Rechtsanwälte, Zürich.
Das Projekt beginnt im Mai 2004 und dauert voraussichtlich 2½ Jahre.
Ziele, Merkmale und Schwerpunkte des Forschungsprojekts
Absicht der Stadt Zürich
Die Situation der "Kunst im öffentlichen Raum"
1
in der Stadt Zürich ist im internationalen Vergleich mit Städten
ähnlicher Bedeutung und Grösse wenig zeitgemäss. Das Niveau ihrer
Pflege entspricht nicht der wirtschaftlichen und kulturellen Rolle der
Stadt Zürich, insbesondere nicht dem Aufschwung, den die Stadt seit den
80er Jahren im Bereich der Bildenden Kunst erfahren hat. Es fehlen ein
Leitbild und Strukturen, um die Realisierung von aktuellen Kunstwerken
im öffentlichen Raum zu initiieren und zu koordinieren und einen
lebendigen Umgang mit den bereits bestehenden Werken zu fördern.
Es ist daher die Absicht der Stadt Zürich, die wenig zufriedenstellende
Situation im Bereich der Kunst im öffentlichen Raum entscheidend zu
verbessern. Die Grundlagen dazu sollen vom Forschungsprojekt geschaffen
werden. Im Forschungsprojekt werden rund 10 künstlerische Pilotprojekte
entwickelt und realisiert; des weiteren wird eine den Zürcher
Verhältnissen angemessene und im internationalen Kontext vergleichbare
Strategie erarbeitet, welche anspruchsvolle Projekte ermöglicht.
Das Strategiepapier (Leitbild) soll u.a. konkrete Richtlinien enthalten
für die Projektierung und Realisierung neuer Werke, für die Bereinigung
des aktuellen Bestandes an Kunst und Denkmälern im öffentlichen Raum,
für die Öffentlichkeitsarbeit sowie für das künftige stadtinterne
Management und die Zusammenarbeit von öffentlicher und privater Hand.
Die repräsentativen öffentlichen Räume im Zentrum Zürichs werden
vorwiegend von Denkmälern und bereits historischen Skulpturen geprägt.
Diese Werke stehen in keinem übergreifenden und aktuellen Bezugsfeld.
Die Gegenwartskunst erfährt in Zürich im Allgemeinen eine
unkoordinierte und periphere Behandlung und tritt nur vereinzelt ins
öffentliche Bewusstsein. Es fehlt ein aufbauender, kontinuierlicher
öffentlicher Diskurs über Kunst, Stadtraum und Öffentlichkeit. Häufig
mangelt neueren Kunstwerken die Beziehung zur sozialen, politischen und
wirtschaftlichen Realität der Gegenwart oder zur historischen und
kulturellen Bedeutung des Standortes. Sie entfalten kaum örtliche
Wirksamkeit und haben keine grenzüberschreitende Ausstrahlung. Ein
grosser Bereich aktueller Formen der Kunst des Öffentlichen, die einem
zeitgemässen Kunstbegriff entsprechen, fehlt ganz (prozessorientierte
Projektarbeiten, Site Specificity in formaler, funktionaler und
sozialer Hinsicht, New Public Art u.a.m.).
Langfristig verspricht sich die Stadt Zürich von den im Rahmen des
Forschungsprojekts gewonnenen Erkenntnissen eine in der Öffentlichkeit
(inkl. Behörde und Kulturpolitik) verankerte Basis für eine Praxis
öffentlicher Kunst, die mit den städtebaulichen, sozialen, kulturellen
und politischen Entwicklungen in Beziehung steht und einen wichtigen
Beitrag leistet.
Ein aus der Gesamtperspektive begründbares strategisches Konzept
erlaubt gegebenenfalls Schwerpunkte zu setzen. Einerseits kann die
Stadt Zürich mit grossen, internationalen Gesten (Prestigewerke als
symbolisches Kapital) an neuer touristisch-kultureller Attraktivität
gewinnen. Andererseits kann Kunst einen wichtigen Faktor bilden bei der
Schaffung und Differenzierung von Identitäten neuer und bestehender
Stadtgebiete sowie von Öffentlichkeiten und unterschiedlichen sozialen
Gemeinschaften. Bei Identitätsbildungen kann Kunst als Instrument der
Vergegenwärtigung und Vergegenständlichung gesellschaftlich relevanter
Themen eine zentrale Bedeutung zukommen. Das Projekt steht daher in
engem Zusammenhang mit den (departementsübergreifenden) städtischen
Bemühungen um Konsolidierung der Lebensqualität, Schaffung von
Identität und Kultur als Standortmarketing.
Wissenschaftliche und künstlerische Zielsetzungen
Kunst im öffentlichen Raum ist eines der komplexesten Handlungsfelder
der Gegenwartskunst. Nichts, was sie betrifft, ist selbstverständlich,
weder in ihr noch in ihrem Verhältnis zur Lebenspraxis. Was als festes
und verlässliches Gefüge erscheint, ist stets in Bewegung, löst seine
Konturen auf und formiert sich neu: so der öffentliche Raum, die
Öffentlichkeit, der Begriff des Öffentlichen und der des Kunstwerks
selber, die Grundlage der Kunst und ihre Funktion. Sie alle sind
variable und zersplitterte Realitäten, die nur mehr in der Mehrzahl und
im Widerstreit zu erfahren sind.
Kunst im öffentlichen Raum stellt eine der wenigen Formen dar, wie
Kunst über den Fachdiskurs des Kunstsystems hinaus in direkten Dialog
mit den Öffentlichkeiten tritt. Sie ist in unterschiedlichem Masse mit
sozialen, ideologischen und ethischen Anliegen, mit Erkenntnis- und
Bildungsansprüchen und vor allem auch mit Interessen von Seiten der
Wirtschaft und Politik verbunden. Temporäre Ausstellungen im Aussenraum
vermögen diesen Dialog selten an die sensiblen Punkte heranzuführen. Um
die Möglichkeit einer fruchtbaren Auseinandersetzung in ihrer
Komplexität differenziert zu gewährleisten, sind Analysen der
relevanten lokalen Bedingungen sowie auf Langfristigkeit angelegte
Strategien erforderlich.
Der Grossteil der zeitgenössischen Kunstwerke im öffentlichen Raum der
Stadt Zürich ist von untergeordneter Bedeutung. Dieser unbefriedigende
Situation ist hauptsächlich auf folgende Defizite zurückzuführen:
- |
mangelnde Relevanz der künstlerischen Konzeptionen,
insbesondere im internationalen Zusammenhang aktueller Entwicklungen
der Kunst bzw. der "Kunst im öffentlichen Raum", |
- |
mangelnde professionelle Aufarbeitung und Berücksichtigung des komplexen, jeweils spezifischen Kontextes, |
- |
zu wenig geförderter Dialog mit der breiten Öffentlichkeit (mangelnder öffentlicher Diskurs, mangelnde Vermittlung), |
- |
mangelnde Einbindung in eine Gesamtstrategie. |
Im Projekt "Kunst Öffentlichkeit Zürich" erfahren künstlerische
Relevanz, Ortsspezifik und öffentlicher Diskurs besondere
Aufmerksamkeit, ebenso diejenigen Faktoren (Parameter), die in der
Stadt Zürich für Einzelwerk und Gesamtstrategie grundlegend und
massgebend sein sollen.
Einen bedeutenden Teil des Forschungsunternehmens bilden die
Recherchen, Analysen und Evaluationen, welche die wissenschaftlichen
Mitarbeiter/innen (verschiedener Disziplinen) des Projektteams und die
städtischen Experten/innen (aus verschiedenen Fachbereichen bzw.
Departementen) in ausgewählten Bereichen der Geschichte, der
Stadtplanung, der Wirtschaft, der Kultur und der Gesellschaft der Stadt
Zürich leisten. Gegenstand ihrer Analysen sind mithin auch die
stadtzürcherischen Öffentlichkeiten und die im öffentlichen Raum der
Stadt Zürich bereits vorhandenen Kunstwerke und Denkmäler. Die
Untersuchungen bilden die Grundlage zur Bestimmung der in Zürich
massgebenden Faktoren für Kunst im öffentlichen Raum (z.B. soziale
Strukturen, Geschichte, Topographie, Wirtschaft, Themen von
öffentlicher Bedeutung und andere kulturelle Phänomene). Und sie geben
den Künstler/innen, die mit ihren Kompetenzen und Interessen selber in
die Untersuchungen involviert sind, eine solide Basis zur ortsbezogenen
Entwicklung von Kunstprojekten.
Die Präsentation und Diskussion der wissenschaftlichen und
künstlerischen Arbeit in der Öffentlichkeit dienen dazu, Interesse zu
wecken und Verständnis und Sensibilität für Gegenwartskunst zu fördern,
darüber hinaus aber auch die aktive Teilnahme am Projekt zu
ermöglichen. Im öffentlichen Dialog sollen Eigenheiten und Bedürfnisse
der aktuellen Zürcher Öffentlichkeiten in Erfahrungen gebracht werden.
Der Dialog mit den Öffentlichkeiten und die Zusammenarbeit mit
verschiedenen Departementen der Stadt Zürich sind für das Gelingen und
die Nachhaltigkeit des Projekts und der daraus resultierenden Strategie
unabdingbar.
Die wissenschaftliche Arbeit, die Öffentlichkeitsarbeit und die
künstlerische Entwurfsarbeit sind eng miteinander verknüpft. Die drei
Bereiche beeinflussen sich gegenseitig und bilden gemeinsam den
eigentlichen Kern der transdisziplinären Forschungsarbeit.
Die künstlerischen und wissenschaftlichen Ziele des Projektes sind die
Realisierung von lokal und international relevanten Kunstwerken
(Pilotprojekten) sowie die Entwicklung einer beispielhaften Strategie
für Kunst und Öffentlichkeit im urbanen Kontext der Stadt Zürich. Die
Grundlage dazu bildet die transdisziplinäre Zusammenarbeit von
Fachpersonen aus Praxis und Wissenschaft und ihr Dialog mit
unterschiedlichen Öffentlichkeiten.
Die Hauptmerkmale des vorliegenden Projektes sind:
- |
Transdisziplinarität von Kunst, Wissenschaft (insbesondere Geschichts-, Sozial- und Kunstwissenschaft) und Stadtmanagement, |
- |
Kontextualität bzw. Ortsbezogenheit hinsichtlich der Eigenheiten,
Bedingungen und Bedürfnisse der verschiedenen städtischen
Öffentlichkeiten und der historischen, kulturellen, städtebaulichen und
politischen Gegebenheiten, |
- |
Zusammenarbeit mit regional und international bedeutenden, qualifizierten Künstlern/innen, |
- |
künstlerische Qualität und gesellschaftliche Relevanz der neuen Werke, |
- |
Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation (Vermittlung, Interaktion, Partizipation), |
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künstlerische Innovation und Beispielhaftigkeit der Strategie im internationalen Kontext, |
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Fundiertheit der Strategie und Nachhaltigkeit. |
Die Resultate und Teilbereiche des Projektes werden in einer
Publikationsreihe veröffentlicht. Im Sinne eines Wissenstransfers
werden sie ebenso in die Forschungskolloquien und in die
Lehrveranstaltungen der HGK Zürich eingebracht. Zur theoretischen
Grundlegung für das Fach- wie Laienpublikum plant die HGKZ in
Zusammenarbeit mit verschiedenen Kunstinstitutionen in der Stadt Zürich
öffentliche Vorträge zum Thema Öffentlichkeiten und Kunst
(Arbeitstitel: „Öffentlichkeit ÷ Kunst") mit internationalen und
lokalen Referenten/innen aus verschiedenen Disziplinen (wie Geschichte,
Soziologie, Germanistik, Kunstwissenschaft, Stadtplanung und Kunst).
Schwerpunkte des Forschungsprojekts
Das von der KTI mitfinanzierte Vorprojekt "Gegenwartskunst im Landschafts- und Siedlungsraum La Plaiv"
2
(Oberengadin) diente der Entwicklung einer neuartigen Methode zur
Projektierung von zeitgemässen und ortspezifischen Kunstwerken und
einer Strategie für Kunst im öffentlichen Raum. Es konnte die
transdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Hochschulen und die
Kooperation mit Behörden, Wirtschaft und Öffentlichkeit erprobt werden.
Die entwickelte Methode wird im vorliegenden Projekt für den urbanen
Raum diversifiziert, weiterentwickelt und differenziert.
Im Gegensatz zum Gemeindeverbund La Plaiv, wo die Forscher/innen mit
relativ wenig artikulierten, einfachen und überschaubaren
Öffentlichkeiten zu tun hatten, treffen sie in der Stadt Zürich auf
eine differenzierte und ungleich komplexere Situation. Eine Strategie
für ein urbanes Ballungszentrum verlangt nach einer Auseinandersetzung
mit den zahlreichen Öffentlichkeiten, mit ihren verschiedenen
Artikulationsformen, Medien und Kontexten und ihrem je
unterschiedlichen Verhältnis zur Gegenwartskultur.
Die Anforderungen an das Forschungsprojekt in der Stadt Zürich sind in
qualitativer und quantitativer Hinsicht hoch. Verschiedenste Bereiche
(wie etwa Städtebau und Raumplanung), mit welchen die "Kunst des
Öffentlichen" eng verknüpft ist, werden als eigenständige und
vielgestaltige Felder gepflegt und teilweise von einem Diskurs auf
hohem Niveau begleitet. Es gibt eine Vielzahl von Typen öffentlicher
Räume (wie Parkanlagen, Plätze, Kinos, Printmedien, Lokalradios,
Internet), die z.T. bereits als Präsentationsorte und
Interventionsfelder von Kunst dienen. Zürich ist im Bereich der
Bildenden Kunst wirtschaftlich sehr aktiv (Kunsthandel), und die Stadt
hat mit ihrer Künstlerschaft, den Ausstellungsinstituten, Hochschulen
und Medien (Kunstzeitschriften, Verlage) einen künstlerisch wie
intellektuell professionellen und aktuellen Standard. Das
Forschungsprojekt agiert in diesem Kontext eines vergleichsweise hohen
Standards von Hoch-, Populär- und Alternativkultur.
Während im Vorprojekt die Projektentwürfe und das Konzept für
Gegenwartskunst v.a. eine Diversifikation der Touristik anvisierte, hat
das Folgeprojekt in Zürich weiterreichende Zielsetzungen. Die für die
Stadt Zürich zu entwickelnde künstlerische Strategie kann der
Steigerung des Standortmarketings dienen, darüber hinaus soll sie
langfristig aber auch mit sozialpolitischen, kulturellen,
wirtschaftlichen und städtebaulichen Aktivitäten interagieren. Sie
steht damit in engem Zusammenhang mit dem Anliegen der Stadt Zürich,
die Lebensqualität mit der Schaffung neuer Ereignisorte, mit der
Förderung einer Kultur des öffentlichen Lebens und mit Impulsen für
Integration und Identitätsstiftung (von sozialen Gruppen
unterschiedlicher Lebensformen, von Quartieren) zu konsolidieren.
Die folgenden Aspekte bilden die Schwerpunkte des Forschungsprojekts "Kunst Öffentlichkeit Zürich".
Relevante Parameter
Neben dem topographisch verstandenen öffentlichen Raum bilden ebenso
der soziale Raum und darüber hinaus Geschichte, Wirtschaft, Ideologie,
Kommunikation (öffentlicher Diskurs), Medium, Themen (im Diskurs des
Öffentlichen) und weitere kulturelle Aspekte die entscheidenden
Parameter für öffentliche Kunst. Das Forschungsprojekt setzt keinen der
Parameter als bereits gegeben voraus. Die für zeitgerechte Kunst des
Öffentlichen und spezifisch für Zürich relevanten Parameter sind selber
Gegenstand der Forschung und werden im Projekt bestimmt. Damit zieht
das Projekt Grundlagen in die Forschung mit ein, die in der heutigen
künstlerischen und kuratorischen Praxis öffentlicher Kunst
üblicherweise ein verborgenes, kaum wahrgenommenes und unbestimmtes
Hintergrundphänomen bilden. Abhängig von der Bestimmung der relevanten
Parameter sind die Funktionen, die öffentliche Kunst wahrnehmen kann.
Mit dem Erforschen der Parameter und Funktionen von Kunstkonzeptionen
und -werken erfährt das Forschungsprojekt einen stärkeren Einbezug
ihrer ideologischen, epistemischen und ästhetischen Voraussetzungen.
Öffentlichkeiten
Die verschiedenen Öffentlichkeiten sind im Zusammenhang des
Forschungsprojekts nicht nur Gegenstand von Recherche und Analyse, sie
spielen ebenso als Partner im Dialog der Kunst eine massgebliche Rolle.
So werden sie nicht bloss als Adressat, sondern auch als Medium der
Kunst begriffen: Die Werke existieren in den Öffentlichkeiten und durch
die Öffentlichkeiten. Die Rezeption durch die Öffentlichkeiten und das
öffentliche Bewusstsein von Kunst sind Teil des Systems Kunst selber.
Schliesslich wird das Projekt auch vom Anspruch geleitet,
Öffentlichkeiten neu zu stiften und verschiedene Öffentlichkeiten (etwa
die politische und die ästhetische Öffentlichkeit) miteinander zu
verbinden. Die einzelnen Kunstprojekte können als Sensorien verstanden
werden, die Konfliktlinien im Öffentlichen aufspüren und ihnen Ausdruck
verleihen. Eine Vortragsreihe soll u.a. den Begriff der Öffentlichkeit
aus dem Blickwinkel verschiedener Disziplinen kritisch beleuchten und
in pragmatischer Hinsicht die Öffentlichkeiten (spezifisch von Zürich)
erörtern. Die Öffentlichkeiten sind Partner, Gegenstand und Medium der
im Forschungsprojekt geleisteten künstlerischen Arbeit.
Kunst und Kontext
Das vorliegende Projekt leistet einen bedeutenden Beitrag zum
Problemfeld des Kontextes als konstitutiven Teils des Kunstwerks. Die
Analyse und Evaluation verschiedener relevanter Kontexte (inkl.
Öffentlichkeiten) mit ihren jeweils unterschiedlichen Bedingungen,
Möglichkeiten und Bedürfnissen bezüglich öffentlicher Kunst erlauben
es, Strategien zu erarbeiten, die über die bekannten Formen der Orts-
und Systemspezifität der Gegenwartskunst hinausgehen. In gleichem Masse
erfahren die Kontexte auch mit Blick auf die Wirkungsmöglichkeit von
Kunst erhöhte Aufmerksamkeit. In verschiedenen Kontexten ist auch der
Gebrauch (die Funktion, die Bedeutung) von Kunstwerken verschieden. Im
vorliegenden Projekt wird u.a. erprobt, ob und wie Kunst im Prozess der
Identitätsstiftung (sozialer Gruppen, von Quartieren, Orten, der Stadt)
eine Rolle einnehmen kann.
Kunst als Standortfaktor
Kunst ist heute als symbolisches Kapital ein entscheidender Faktor im
Standortmarketing. Das vorliegende Projekt verbindet Belange von Kunst
und Standortmarketing und leistet darin einen relevanten Beitrag zum
Thema "Kunst und Wirtschaft". Der Einbezug der wirtschaftlichen
Zielsetzungen in die kritische Reflexion der Kunst bietet die
Möglichkeit, eine üblicherweise verborgene Pragmatik der Kunst –
implizit oder explizit thematisiert – in die Werke einzugliedern.
Künstlerische Forschung
Das Zentrum des vorliegenden Projekts bildet die autark künstlerische
Forschung von 10 eingeladenen Künstlern und Künstlerinnen. Im Feld der
Kunst sind es die realisierten Kunstwerke (und implizit ein
veränderter, zeitgerechter Begriff von Kunst), die als Resultate des
Forschens gelten. Künstlerische Forschung mag von Entwicklungen in
anderen Kompetenzbereichen begleitet werden, diese stehen aber nicht im
Vordergrund. Das Projekt trägt entscheidend zum (Selbst-) Verständnis
künstlerischer Forschung und zur Entwicklung eines zeitgerechten
Forschungsbegriffs im Kunstsystem bei.
Institutionelle Forschung und Transdisziplinarität
Beim vorliegenden Projekt handelt es sich um institutionell verankerte
Forschung im Feld der Kunst (im Unterschied zur individuellen Arbeit
eines einzelnen Künstlers). Es ist ein transdisziplinäres
Forschungsprojekt mit Fachpersonen aus Kunst, Wissenschaft und
Stadtmanagement mit dem Fokus auf die Hauptdisziplin Bildende Kunst.
Das Projekt steht im Zusammenhang eines Forschungsprogramms und
garantiert damit Kontinuität und Fachkompetenz. Als transdisziplinäres
Forschungsprojekt im institutionellen Rahmen einer Hochschule leistet
es auf hohem professionellem Niveau einen bedeutenden Beitrag zur
Entwicklung der Gegenwartskunst.
Langfristigkeit und Nachhaltigkeit
Das Forschungsprojekt versteht sich als Kick-off-Unternehmen, das mit
der Realisierung von Pilotprojekten und der Formulierung eines
Leitbildes (Strategiepapiers) eine langfristige Entwicklung von Kunst
im öffentlichen Raum befördert. Die Zusammenarbeit von
Wissenschaftlern/innen, Künstlern/innen, Privatwirtschaft, Behörden und
städtischen Departementen und Ämtern sowie die Kommunikation mit den
Öffentlichkeiten legen den Grundstein für seine Nachhaltigkeit.
Christoph Schenker, April 2004
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1 Der Begriff „Kunst im öffentlichen
Raum" erscheint veraltet und findet hier nur in Ermangelung eines
adäquaten neuen Begriffs weiter Verwendung. Im Folgenden sind alle
Formen im Umfeld von „Kunst des Öffentlichen" und „New Public Art" etc.
mitgedacht.
2 Christoph Schenker (Hrsg.): Public
Plaiv – Art contemporauna illa Plaiv. Gegenwartskunst im Landschafts-
und Siedlungsraum La Plaiv, Oberengadin. Zürich 2002,
www.artpublicplaiv.ch→
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